Vollgas mit gezogener Handbremse

© iStock/Elena Perova
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Ing. Rudolf Mark, Mark Metallwarenfabrik GmbH und AC-Beiratssprecher © Mark Metallwarenfabrik GmbH
Ing. Rudolf Mark, Mark Metallwarenfabrik GmbH und AC-Beiratssprecher © Mark Metallwarenfabrik GmbH

29.11.2021

Die Situation könnte paradoxer nicht sein: Die Branche sitzt vor vollen Auftragsbüchern, doch viele Zulieferer müssen ihr Personal wieder in Kurzarbeit schicken. Unterbrochene Lieferketten und globaler Chipmangel bremsen die Zulieferer aus. Und jetzt droht auch noch ein Magnesiummangel. Der Automobil-Cluster vernetzt sich daher mit anderen Cluster-Organisationen auf europäischer Ebene.

Es ist eine paradoxe Situation, die selbst bei erfahrenen Unternehmen Kopfschütteln auslöst: Große Nachfrage und volle Auftragsbücher für die Zukunft, aber sprichwörtlich ausgebremst durch Probleme in den Lieferketten. Zentraler Punkt ist, dass in der seit Monaten ohnehin angespannten Situation – Stichwort Chipmangel, unterbrochene Lieferketten – die OEMs durch ihr Vorgehen ihre Zulieferer immer weiter in Bedrängnis bringen.
 

Verhalten der OEMs irritiert

Zu Abrufzahlen aus Rahmenverträgen gibt es keine verbindlichen Zusagen. Diese werden aktuell bei heimischen Zulieferern sehr kurzfristig – oft erst in der Woche der geplanten Produktion – drastisch reduziert. Somit sind eine realistische Materialbeschaffung, Logistik, Personalplanung etc. nicht mehr möglich. „Am Anfang jeden Monats schaut es aus, als ob wir auf Rekordkurs wären und wir richten unsere Kapazitäten danach. Am Ende des Monats fehlen aber mindestens 20 Prozent“, fasste Automobil-Cluster-Beiratssprecher Rudolf Mark gegenüber den OÖNachrichten zusammen.
 

Kurzarbeit und Umsatzeinbußen

Aufgrund dieser Kurzfristigkeiten und Unvorhersehbarkeiten ist Kurzarbeit für die Zulieferer nicht zwingend ein geeignetes Mittel, während die OEMs durchaus mit diesem Instrument planen können. Die Zulieferer müssen Alternativen wie flexible Arbeitszeitmodelle bis hin zu Urlaubsvorgriffen ins Auge fassen. BMW Motoren (Steyr), TCG Unitech (Kirchdorf) und Miba (Sintersparte in Vorchdorf) haben bereits Kurzarbeit angemeldet. Der börsennotierte Autozulieferer Polytec hat seine Investoren informiert, dass der Ausblick gesenkt werden müsse. In vielen Betrieben fallen Schichten aus.
 

Fehlende Gesprächsbasis

Es gibt keine Gesprächsbasis für Lösungsvorschläge und Strategien für partnerschaftliches Vorgehen zwischen Zulieferern und OEMs. Das betrifft unter anderem die enormen Preissteigerungen bei Rohstoffen, die weitgehend von den Zulieferern selbst kompensiert werden müssen. Lieferanten fühlen sich von den Autokonzernen bei Stornos oder Zusatzbelastungen im Regen stehen gelassen, sagt Rudolf Mark: „In anderen Branchen muss ich das, was ich bestelle, auch nehmen und bezahlen.“ Die Autokonzerne würden sich weigern und Rahmenverträge als unverbindlich darstellen.
 

Drohender Magnesiummangel

Nun droht auch noch ein weltweiter Lieferengpass bei Magnesium. Darauf macht die WirtschaftsVereinigung Metalle (WVM) in Deutschland aufmerksam. Magnesium sei schon jetzt dreimal so teuer wie vor einem Jahr. Denn China hat die Energieversorgung für die Industrie stark reduziert, davon ist auch die Magnesiumproduktion betroffen. Die WVM erwartet, dass die jetzigen Magnesiumvorräte in ganz Europa spätestens Ende November erschöpft sein werden. Somit drohen massive Produktionsausfälle in der gesamten AluminiumWertschöpfungskette, u. a. in der Automobil-, Flugzeug-, Elektrofahrradindustrie, im Maschinen- und Leichtbau sowie in der Eisen- und Stahlproduktion.
 

Keine Entspannung in Sicht

„Unsere Zulieferer sind gefragte Innovations- und Entwicklungspartner für die großen Automobilhersteller. Wenn es um neue, künftige Projekte geht, dann wird diese Rolle von den OEMs auch anerkannt. Da gibt es großes Interesse an der Zusammenarbeit. Und diese Augenhöhe braucht es auch in einer schwierigen Phase wie jetzt“, appelliert Rudolf Mark im Namen aller Automobil-Cluster-Beiräte. In der Branche rechnet man für die kommenden Monate nicht mit einer Entspannung.


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