„The next big thing: staufreie saubere Städte“

TTTech Auto ist spezialisiert auf Sicherheit beim autonomen Fahren und bei Fahrerassistenzsystemen. © TTTech Auto
TTTech Auto ist spezialisiert auf Sicherheit beim autonomen Fahren und bei Fahrerassistenzsystemen. © TTTech Auto
Das Flagship-Produkt von TTTech Auto: MotionWise ist wie eine App aufgebaut und kann jederzeit um Funktionalitäten erweitert werden. © TTTech Auto
Das Flagship-Produkt von TTTech Auto: MotionWise ist wie eine App aufgebaut und kann jederzeit um Funktionalitäten erweitert werden. © TTTech Auto
Das Flagship-Produkt von TTTech Auto: MotionWise ist wie eine App aufgebaut und kann jederzeit um Funktionalitäten erweitert werden. © TTTech Auto
Das Flagship-Produkt von TTTech Auto: MotionWise ist wie eine App aufgebaut und kann jederzeit um Funktionalitäten erweitert werden. © TTTech Auto
Dirk Linzmeier ist CEO und Vorstandsmitglied von TTTech Auto. © Helmut Mitter
Dirk Linzmeier ist CEO und Vorstandsmitglied von TTTech Auto. Er verfügt über 20 Jahre Erfahrung in verschiedenen Führungspositionen sowie in der Entwicklung in der Automobilindustrie. Vor seinem Eintritt bei TTTech Auto im Jahr 2022 war Linzmeier CEO von OSRAM Continental, einem Joint Venture von OSRAM und Continental mit 1.500 Mitarbeitern, das er erfolgreich am Markt positionierte. Bei der Robert Bosch GmbH war Dirk Linzmeier in verschiedenen Positionen für die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und Automobilelektronik in Deutschland und China verantwortlich. © Helmut Mitter

06.12.2023

Beim autonomen Fahren geht es derzeit vorrangig um Sicherheit. TTTech Auto mit Sitz in Wien ist dabei der Spezialist für Software, Hardware und Services für Fahrerassistenz und autonome Mobilität. CEO Dirk Linzmeier verrät im Gespräch mit AC-quarterly, woran gerade gearbeitet wird und was er für „the next big thing hält“.

Welche Lösungen bietet TTTech Auto an?

Was wir anbieten, kann man sich wie ein Betriebssystem am Handy vorstellen – Middleware. Der Kunde will Funktionen erleben – Assistenzsysteme und Sicherheitsfunktionen. Das geht mit viel Rechenleistung und hohen Datenraten einher. Das ist hochkomplex. Wir abstrahieren das, sodass der Fahrzeughersteller sich auf die Funktionen und das Zusammenspiel in der Integration konzentrieren kann. Unsere Software nennt sich MotionWise. Sie orchestriert die gesamte Rechenleistung und Datenkommunikation so, dass die einzelnen Funktionen zum richtigen Zeitpunkt genügend Leistung zur Verfügung haben, um die sichere Funktion zu garantieren. Wenn es um Fahrerassistenzsysteme geht, ist es enorm wichtig, dass die Funktion absolut sicher ist. Wenn z. B. ein Fußgänger vor das Auto läuft, dann muss die Kette von Sensorverarbeitung mit Kamera und Radar, die Fusionierung der Sensorsignale, die Planung des Bremsmanövers bis zu den Kommandos an den Aktuatoren in einer extrem kurzen Zeitspanne erfolgen.

 

Wie verändert das Software Defined Vehicle aktuell die Branche?

Früher beim Verbrenner hat man sich stark über den Motor differenziert. Wer hat den besten, den leisesten oder auch die beste Beschleunigung oder das beste Design. Heute, speziell auch mit der Elektromobilität, ist der Motor gar nicht mehr so wichtig, da alle sehr ähnlich sind. Auch das Design hat zwar viel mit Geschmackssache zu tun, es nähert sich aber immer mehr an. Die Fahrzeuge sind sich mittlerweile recht ähnlich. Jetzt geht es mehr und mehr darum: Was erlebt der Fahrer? Durch Smartphones ist der Kunde das Verhalten mit Technologie gewohnt, man erwartet mehr vom System. User-friendliness steht im Fokus: Einfachheit in der Bedienung, regelmäßige Updates, die neueste Map, damit das Navi aktuell ist. Mehr und mehr ändert sich, dass der Innenraum besser wird. Viel davon ist Software. Man kann von außen nicht sagen, dass sich die Karosserie ändert. Aber man kann neue Funktionen ins Fahrzeug einspielen. Also das, was wir SDV (Software Defined Vehicle) nennen. Das ist eine große Herausforderung für die Branche, denn es braucht eine Software-Architektur, die das alles ermöglicht. Das schafft kein einzelnes Steuergerät, sondern es braucht eine Elektronikarchitektur, die genügend Speicher und Rechenleistung vorhält. Viele verschiedene Firmen arbeiten an einem Fahrzeug, das benötigt gemeinsame Schnittstellen und Interfaces. Es hängt also alles an vielen Unternehmen gleichzeitig, dadurch ist die Komplexität um ein Vielfaches höher. Und dass es beim Fahrzeug um sicherheitskritische Anwendungen geht, erschwert das alles noch einmal und erhöht die Komplexität. Und: Software allein trifft es nicht ganz. Es geht um Gesamtsystemaspekte wie Sicherheit und Security. Das kann nur im Zusammenspiel zwischen Soft- und Hardware gelöst werden. Wir haben daher den Begriff 4SDV – Safety, Security, System and Software Defined Vehicle geprägt.

 

Sie sind mit Ihrem Standort in Österreich sehr erfolgreich. Was spricht für den Standort? Wo liegen die Vorteile und wo gibt es Verbesserungsbedarf?

Was ich sehe: Wir sind ein globales Unternehmen. Unser Headquarter befindet sich in Wien. Für uns ist es wichtig, gute Leute zu bekommen und dafür muss ich einen attraktiven Arbeitsplatz anbieten. Wien ist eine absolut großartige Stadt mit viel Lebensqualität, die zudem auch nicht zu teuer ist. Wir haben Standorte in Serbien, Kroatien, Türkei, Bosnien – Österreich ist für diese Fachkräfte hochattraktiv, sie fühlen sich auch in Wien sehr wohl. Die Nähe zur TU ist vorteilhaft. So ergibt sich ein Talentepool für Studierende und Mitarbeiter sowohl aus Österreich als auch aus dem Süden. Aber es könnte mehr Hightech in Österreich geben, mehr in der neuen Automobilwelt – Software, Elektronik. Wir tun uns schwer, Fachexperten zu bekommen, denn sie sind zahlenmäßig nicht so stark vertreten. Das ist in Deutschland einfacher. Daher mein Vorschlag: In München wurde mittlerweile ein großes Start-up-Ökosystem aufgebaut – Inkubatoren – das braucht es verstärkt in Österreich. Da tut sich viel in München und es verstärkt sich von selbst. In Österreich und speziell in Wien könnte gemeinsam mit Universitäten etwas aufgebaut werden. Kapital wäre vorhanden, Private Equity würde ich mir mehr wünschen.

 

In welchen Bereichen suchen Sie Kooperationspartner und wie startet man die Zusammenarbeit mit TTTech Auto am besten?

Wir arbeiten mit vielen Partnern zusammen. Die Herausforderungen des autonomen Fahrens schafft man nur gemeinsam, das kann keine Firma allein schaffen. „The Autonomous“ – eine globale Konferenz mit Entscheidern aus der ganzen Welt – ist da ein guter Anhaltspunkt. In der letzten Konferenz ging es um den Schwerpunkt, wie das Autonome Fahren sicher gemacht werden kann. Dabei ging es um die volle Spannbreite von Robotaxis über renommierte Anwälte, die sich mit der Regulierung beschäftigen, bis zu den technischen Working Groups. Da kann man sich jederzeit einklinken. Ansonsten darf jeder direkt auf uns zukommen, wenn Interesse an einer Zusammenarbeit besteht. Was wir brauchen: Systemdesigner und Architekten, Entwickler mit Interesse an Safety – wir wollen Kunden ein hochattraktives Produkt in die Hand geben. Und wir sind z. B. nicht die Experten für die schönsten grafischen Interfaces. In diesem Bereich suchen wir Partner.

 

Was ist „the next big thing“, an dem Sie arbeiten?

Grundsätzlich das Robotaxi. In einigen Städten in den USA wie auch in China gab es schon Freigaben. Es gibt aber auch Rückschläge. Einer der Anbieter in San Francisco hat sein Service aufgrund von Sicherheitsproblemen wieder einstellen müssen. Also ist das genau genommen schon nicht mehr das „next big thing“. Für mich ist das „next big thing“, dass man die Stadt als System betrachtet. Quasi wie ein Betriebssystem für die Stadt – multimodale Mobilität, wo alles ineinandergreift. U-Bahn, S-Bahn, Minimobilität, auch Robotaxis, die selbstständig zu den Ladestationen fahren. Also auch autonome Shuttles für Personenmobilität sowie für die Warenanlieferung. Dadurch bekommt man viele Autos raus aus der Stadt, man macht die Städte staufrei und sauber – das sollten die Städte managen. Autos und Motorrad wird es trotzdem geben, aber eben nur zum Spaß, für das Freizeitvergnügen. Wir tragen unseren Teil dazu bei, für Safety und Security zu sorgen.

 

TTTech

TTTech Auto bietet Lösungen, die höchste kontinuierliche Sicherheit für das softwaredefinierte Fahrzeug gewährleisten. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Software, Hardware und Services für Fahrerassistenz und autonome Mobilität. Die innovative Technologie ist weltweit in Millionen Fahrzeugen serienerprobt.

 

Middleware

Eine Software, die eine oder mehrere Arten der Kommunikation oder Konnektivität zwischen zwei oder mehreren Anwendungen oder Anwendungskomponenten in einem verteilten Netz ermöglicht.


Portraitfoto Doris Straub

Doris Straub, BSc

Projektmanagerin

Connected Mobility

Mobil: +43 664 852 0902