Versuch einer Mondlandung

Der Polestar Space in der Wiener Innenstadt © Polestar/Zsolt Marton
Der Polestar Space in der Wiener Innenstadt © Polestar/Zsolt Marton
Die vollelektrische Fließhecklimousine Polestar 2 © Polestar
Die vollelektrische Fließhecklimousine Polestar 2 © Polestar
Thomas J. Hörmann ist seit mehr als zwei Jahrzehnten international in der Automobilindustrie tätig. Seine Stationen führten ihn von Österreich aus nach Großbritannien, Deutschland, in die Schweiz und nach Tschechien. Er war zuletzt für Jaguar Land Rover tätig. Seit dem Frühjahr 2021 leitet er die schwedische Elektro-Performance-Marke Polestar in Österreich. © Polestar/Zsolt Marton
Thomas J. Hörmann ist seit mehr als zwei Jahrzehnten international in der Automobilindustrie tätig. Seine Stationen führten ihn von Österreich aus nach Großbritannien, Deutschland, in die Schweiz und nach Tschechien. Er war zuletzt für Jaguar Land Rover tätig. Seit dem Frühjahr 2021 leitet er die schwedische Elektro-Performance-Marke Polestar in Österreich. © Polestar/Zsolt Marton

31.05.2023

Der schwedische Autobauer Polestar will bis 2030 ein zu 100 Prozent klimaneutrales Auto bauen. Thomas J. Hörmann ist Managing Director Austria und hielt bei der automotive.2023 einen fesselnden Vortrag, auf den wir im Gespräch mit ihm noch einmal eingegangen sind.

Ihr Vortrag bei der automotive.2023 trug den Titel „Polestar 0 Project: Versuch einer Mondlandung“. Können wir mit Ihren Autos künftig zum Mond fliegen?

Unser Polestar 0 Projekt verfolgt das Ziel, bis 2030 ein vollkommen klimaneutrales Auto zu entwickeln. Damit wird man nicht zum Mond fliegen können, aber wir sind ohnehin der Meinung, dass wir erst die Zukunft unseres eigenen Planeten sicherstellen sollten, ehe wir uns im Weltraum nach alternativen Lebensorten umsehen. Doch genau wie bei der Mondmission in den 1960er-Jahren streben wir eine Weltneuheit innerhalb eines Jahrzehnts an. Auch damals gab es viele Zweifler an der Machbarkeit eines solch ambitionierten Vorhabens. Beide Projekte erfordern Mut, Selbstvertrauen und vor allem zielorientierte und engagierte Partner.

Wie weit sind Sie mit dem klimaneutralen Auto?

Das Projekt gliedert sich in drei Phasen. Wir sind gerade in der Forschungsphase, wo wir herausfinden müssen, wie man Emissionen eliminieren kann. Ein modernes Elektroauto besteht aus rund 50.000 Komponenten. Sie alle müssen klimaneutral werden. Für viele gibt es heute aber noch keine Lösung, deshalb geht es gemeinsam mit unseren Partnern darum, diese zu finden. Beispielsweise arbeiten wir mit Herstellern für Stahl, Aluminium, Kabel und Elektronik zusammen. Das spannende ist ja, dass all diese Komponenten auch für unsere gesamte Gesellschaft relevant sind. Haben wir die Alternativen also gefunden, lassen sie sich auch in anderen Bereichen einsetzen. Es folgt die Phase des „Advanced Engineering“, wo es darum geht, die neuen Komponenten zunächst in einem Auto ein- und die entsprechenden Lieferketten aufzubauen. Die dritte und letzte Phase ist die Entwicklung des Autos selbst – für uns als Autohersteller ist das die einfachste Übung.

Wie definieren Sie ein 100 % klimaneutrales Auto?

Wir definieren Klimaneutralität als die Eliminierung von Treibhausgasemissionen in unserer Lieferkette und im Produktionsprozess. Und das ohne Kompensationsmaßnahmen wie das Pflanzen von Bäumen oder den Kauf von Zertifikaten. Das Ziel ist es, ein Fahrzeug zu entwickeln, das die Produktionsstätte mit einem CO2-Fußabdruck von null verlässt.

Sie versprechen auch, bessere Batterien zu bauen. Wie definieren Sie „besser“?

Batterien sind zweifelsohne eine große Herausforderung. Vor allem, weil wir wissen, dass der Abbau von Mineralien für Batterien mit Risiken verbunden und gerade hinsichtlich der Bedingungen vor Ort kritisch zu betrachten ist. Deshalb setzen wir hier einerseits auf die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen und nutzen die Blockchain-Technologie, mit der wir die Herkunft, die Art und Weise des Abbaus sowie den Transport und die Weiterverarbeitung von Kobalt, Nickel und weiteren Mineralien tracken können. Andererseits ist Kreislaufwirtschaft wichtig. Wir setzen auf einen zirkulären Ansatz, indem wir nach Methoden suchen, um Batterien länger zu nutzen, sie zu reparieren, aufzubereiten und zu recyceln. Dazu arbeiten wir gemeinsam mit Volvo bereits in drei eigenen Batteriezentren in Schweden, China und den USA.

Welche Herausforderungen müssen Sie auf dem Weg zum klimaneutralen Auto meistern? Was würden Sie noch brauchen?

Wie erwähnt müssen mehrere Tausend Komponenten klimaneutral produziert werden. Gerade Stahl, Aluminium und die Batterien sind große Emissionsverursacher, aber auch die Elektronik eines Fahrzeugs stellt uns vor Herausforderungen. Hier gibt es bisher kaum Emissionsdaten, was unsere Arbeit nicht gerade vereinfacht. Was wir brauchen, sind vor allem weitere Partner. Wir arbeiten bereits mit einer Reihe führender Unternehmen zusammen, die sich demselben Ziel verpflichtet haben, aber in einigen Bereichen sind wir noch auf die Expertise angewiesen.

Was heißt verantwortungsbewusste Rohstoffbeschaffung für Sie und wie geht Polestar da konkret vor?

Wenn wir klimaneutrale Mobilität vorantreiben wollen, ist es nicht die Lösung, dass jeder elektrisch fährt. Das ist erst der Anfang. Eine der wichtigsten Baustellen auf dem Weg zu echter Klimaneutralität ist die Lieferkette bzw. die Beschaffung von Rohstoffen. Durch den Umstieg auf Elektroautos verlagert sich ein Großteil der Emissionen in diese Bereiche. Wir müssen uns als Hersteller also gemeinsam mit unseren Lieferanten ansehen, wie wir Emissionen in der Lieferkette und Produktion eliminieren können und wie wir sicherstellen, dass gerade Risikomaterialien verantwortungsbewusst abgebaut werden. Unser Verhaltenskodex für Geschäftspartner deckt unsere Anforderungen in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Umweltschutz und Geschäftstätigkeit ab und wir setzen auf Due-Diligence-Prozesse und laufende Audits. Polestar ist zudem Mitglied von Initiativen wie Drive Sustainability.

Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft – wie wollen Sie ein Auto über den gesamten Lebenszyklus im Kreislauf führen?

Für uns beginnt Nachhaltigkeit schon am Skizzenblock. Wir sind eine designfokussierte Marke und erkennen im Design die Möglichkeit für echte Veränderungen. Das betrifft vor allem innovative Materialien, die Umweltauswirkungen minimieren. Bisher waren im Premiumsegment der Autohersteller meistens Leder, Chrom und Holz zu finden. Für all diese Materialien suchen wir Alternativen, so etwa recyceltes Plastik, 3D-gestrickte Sitzbezüge, die passgenau produziert werden und so den Abfall reduzieren, recycelte Fischernetze oder auch Kork und Vinyl. In unserem Polestar Elektro Roadster Konzeptfahrzeug, das 2026 als Polestar 6 in Produktion gehen wird, kommt ein Unibody aus geklebtem Aluminium zum Einsatz. Das Aluminium wird hier eindeutig gekennzeichnet, um die verwendeten Aluminiumarten einfach trennen und recyceln zu können. Das ist eine Neuheit in der Industrie, denn bisher wird Aluminium in der Regel nicht recycelt, sondern zu einer qualitativ minderwertigen Mischung zusammengemischt.

Die Herausforderung ist es, Produkte zu entwerfen, die einen deutlich reduzierten Fußabdruck aufweisen, aber dennoch begehrlich sind. Wir wollen dadurch Begriffe wie „Premium“ und „Luxus“ neu definieren. Auf dem Weg zu höherer Zirkularität sind Materialien also ein wichtiger Baustein. Es geht hier auch um die Langlebigkeit der Produkte, ihre Reparierbarkeit, die Möglichkeit zur Wiederaufbereitung und für das Recycling.

Auf Ihrer Website steht, dass Sie Ihre Bemühungen auch auf Inklusion legen. Was bedeutet das konkret?

Wir setzen uns für Menschenrechte, Diversität und Inklusion ein, denn wir sind der Meinung, dass Vielfalt und Chancengleichheit treibende Kraft für uns alle sind. Unter Inklusion verstehen wir eine nachhaltige Zukunft für unseren Planeten sowie für jedes Lebewesen darauf. Wir setzen uns für die Rechte schutzbedürftiger Menschen ein, vor allem auch für jene in unserer Lieferkette, und für die Mitarbeiter an unserem Arbeitsplatz sowie die Kunden in unseren Fahrzeugen. Das fängt mit Gleichberechtigung in der Personalpolitik an und reicht über den Verhaltenskodex für Polestar und seine Lieferanten bis hin zum verantwortungsvollen Abbau von Rohmaterialien. Es geht uns aber auch darum, für Menschenrechte einzustehen und ein integratives Kundenerlebnis zu ermöglichen.

Seit wann besteht die Idee, ein vollständig klimaneutrales Auto zu bauen und wer hatte sie? Tragen die Eigentümer den Gedanken mit oder wer ist im Unternehmen der Treiber dieser Idee?

Die Idee für das Polestar 0 Projekt ist 2019 entstanden. In gewisser Weise wollen wir damit unserem Namen Rechnung tragen: Polestar leitet sich vom Leitstern ab. Als solcher sehen wir uns auch, denn wir möchten die Industrie wachrütteln und mit gutem Beispiel vorangehen. Wie zuletzt der Dieselskandal gezeigt hat, ist das Vertrauen der Konsumenten in die Industrie erschüttert. Es braucht dringend mehr Transparenz, Ehrlichkeit und vor allem auch echten Fortschritt. Wir wissen, dass der Umstieg von Verbrennern auf Elektroautos eine Notwendigkeit ist, um den Klimawandel zu stoppen – aber er reicht nicht aus. Wir müssen die gesamte Produktions- und Lieferkette so gestalten, dass Emissionen minimiert werden. Und das so rasch wie möglich, denn wie unser Pathway Report gezeigt hat, sind wir auf dem besten Weg, unsere Klimaziele deutlich zu verfehlen, wenn wir nicht umgehend handeln. Deshalb widmet sich bei Polestar ein eigenes Projektteam unter der Leitung von Hans Pehrson ausschließlich dem Bestreben, ein klimaneutrales Auto zu entwickeln. Hans war davor Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Polestar. Die Etablierung eines eigenen Projektteams und unsere ambitionierten Ziele verdeutlichen den Stellenwert des Polestar 0 Projekts im Unternehmen und unser CEO Thomas Ingenlath ist hier einer der größten Unterstützer.

Was unterscheidet Polestar von anderen Herstellern? Was ist Ihr USP?

Polestar ist eine eigenständige schwedische Elektro Performance Automarke, die von Volvo Cars und Geely Holding gegründet wurde. Dadurch sind wir in gewisser Weise ein Start-up, das ohne Rucksack daherkommt und Dinge auf neue Art und Weise machen kann, aber dennoch über fast 100 Jahre fundierte Erfahrung verfügt. Wir profitieren durch die Verbindung zu Volvo von starken Synergieeffekten bei der Technik und Entwicklung unserer Fahrzeuge. Das zeigt sich allein schon in unserem etablierten Servicenetzwerk, das auf jenem von Volvo aufbaut und mittlerweile in Österreich aus 28 Partnern von Ost nach West besteht. Andere, neue Hersteller müssen ein solches Netzwerk erst aufbauen und sich die Expertise erarbeiten.

Wir heben uns aber auch deutlich durch unser skandinavisch-minimalistisches Design hervor. Design ist, wie schon erwähnt, etwas, das bei Polestar einen enorm hohen Stellenwert hat. Unser Chefdesigner ist übrigens gebürtiger Österreicher, Maximilian Missoni wurde in Graz geboren und hat u. a. in Linz studiert. Er prägt unsere Designsprache und die Ästhetik unserer Fahrzeuge. Mit Erfolg, denn Polestar Autos fallen durch ihre schlichte Eleganz auf.

Wie wollen Sie Ihre Marktposition als europäische Elektroautohersteller festigen und behaupten?

Seit unserer Gründung verzeichnen wir konstantes Wachstum. Mittlerweile sind wir in 27 Märkten erhältlich und haben 2022 mehr als 51.000 Fahrzeuge verkauft. 2023 werden wir unser Produktportfolio ausbauen, Polestar 3 einführen und Polestar 4 vorstellen. Das Ziel ist es, jedes Jahr ein neues Modell auf den Markt zu bringen. Wir sind dabei im Segment der Premium-Elektroautos tätig und durch unseren Fokus auf Design, Technologie und Nachhaltigkeit sprechen wir gezielt Kundinnen und Kunden an, die dies zu schätzen wissen.

Welche Modelle gibt es schon zu kaufen und wo? Wo kann ich sie Probe fahren?

Noch gibt es nur den Polestar 2. Die vollelektrische Fließhecklimousine ist unser Volumenmodell, das sich durch skandinavisch-minimalistische Ästhetik und ein unvergleichliches Fahrgefühl auszeichnet. Es war auch das erste Auto mit Google an Bord. Probefahrten sind in unserem Polestar Space in der Wiener Innenstadt sowie in den Locations in Wiener Neudorf, Linz, Graz und Innsbruck möglich. Zudem sind wir über das Jahr verteilt immer wieder mit Pop-up Locations oder im Rahmen von Roadshows an weiteren Orten anzutreffen. Anfang nächsten Jahres werden dann auch die ersten Polestar 3 ausgeliefert. Das ist unser Elektro Performance SUV, den Interessierte natürlich ebenfalls an diesen Standorten Probe fahren können. Alle Infos und Buchungsmöglichkeiten findet man auf unserer Website polestar.com.

Polestar

Die schwedische Elektroautomarke ist in 27 Märkten weltweit präsent. In Österreich hat Polestar seinen Sitz in Wien sowie weitere Standorte in Wiener Neudorf, Linz, Graz und Innsbruck. Das Portfolio besteht derzeit aus dem elektrischen Performance Fastback Polestar 2. Die vollelektrische Fließhecklimousine zeichnet sich durch skandinavisch-minimalistische Ästhetik und ein unvergleichliches Fahrgefühl aus. Es war das erste Auto mit Google an Bord. Ende 2022 wurde Polestar 3 als erster SUV der Marke vorgestellt. Der Elektro Performance SUV wird ab dem 2. Quartal 2024 ausgeliefert. Bis 2026 ist die Einführung von drei weiteren Modellen geplant, bis 2030 will Polestar ein wirklich klimaneutrales Auto entwickeln.

Probefahrten

Probefahrten sind im Polestar Space in der Wiener Innenstadt sowie in den Locations in Wiener Neudorf, Linz, Graz und Innsbruck möglich. Zudem ist Polestar über das Jahr verteilt immer wieder mit Pop-up Locations oder im Rahmen von Roadshows an weiteren Orten anzutreffen. Alle Infos und Buchungsmöglichkeiten: www.polestar.com