Lokal, global, nachhaltig

Bei Voltlabor in Bad Leonfelden werden Lithium-Ionen-Batterien für die Elektromobilität produziert. © VOLTLABOR
Bei Voltlabor in Bad Leonfelden werden Lithium-Ionen-Batterien für die Elektromobilität produziert. © VOLTLABOR

19.05.2021

Nachhaltigkeit, alternative Antriebe, neue Materialien und Produktionsverfahren. Das sind nur einige Trends, auf die sich Oberösterreichs Automobilindustrie einstellen muss. Die Branche hat das Steuer aber schon längst in der Hand und agiert lokal, global und nachhaltig in Richtung Zukunft.

Die Automotive-Industrie in Oberösterreich ist ein Wohlstandsmotor für den Standort. 280 heimische Unternehmen sind dem Sektor zuzurechnen. Laut einer Modellrechnung des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI) für das Jahr 2019 stehen sie für 7,9 Milliarden Euro Wertschöpfung und sichern die Arbeitsplätze von 86.000 Beschäftigten. Etwa 80 Prozent der Betriebe sind im Export tätig. 60 Prozent des Umsatzes erwirtschaften sie in fünf Bereichen: Maschinen und Anlagen, Antrieb, Exterieur, Karosserie und Interieur.
 

Zahlreiche Herausforderungen

Klar ist aber auch: Die Branche erlebt momentan einen Wandel wie keine andere. IT und Künstliche Intelligenz (KI) gewinnen an Bedeutung. Unternehmen sind gefordert, sich zum Systemanbieter zu entwickeln. Alle Welt versucht sich an neuen, alternativen Antrieben und am autonomen Fahren. Erfreulich ist, dass Oberösterreichs Automobilbranche sich den Herausforderungen schon vor Jahren gestellt hat und diese auch meistert. Wenn es beispielsweise um die Elektrifizierung der Fahrzeuge oder autonomes Fahren mit KI am Steuer geht, stehen wir in der ersten Startreihe.
 

Vorne mit dabei

Effiziente, innovative Batterietechnologien, neuartiges Thermomanagement und Ladeinfrastruktur sind für unsere Unternehmen nicht nur Trends, sondern sie mischen aktiv in Forschungs- und Entwicklungsarbeit mit. Und das nicht nur lokal oder regional, sondern international. Vor wenigen Wochen erst hat die EU-Kommission 2,9 Milliarden Euro Fördergeld für den Aufbau einer europäischen Batterie-Wertschöpfungskette genehmigt. Unter den 42 Unternehmen im Projektkonsortium von EuBatIn (European Battery Innovation) sind namhafte globale Player wie BMW oder Tesla, aber auch Voltlabor aus Bad Leonfelden.
 

Komponenten vom Leitbetrieb

Auch einer unserer Leitbetriebe versteht sich als Innovationstreiber der Elektromobilität: die voestalpine. Sie liefert anspruchsvolle Elektrobänder für Elektromotoren, Generatoren und Transformatoren jeglicher Art. Auch im Bereich der Batteriegehäuse liefert der Konzern besonders leichte und sichere Komponenten. Mit der Produktion von höchstfesten automobilen Leichtbaukomponenten trägt der Konzern zudem zur Reichweitensteigerung von E-Autos bei.
 

Prototypenzentrum in Wels

Fronius hat sich früh darüber Gedanken gemacht, welchen Beitrag das Unternehmen zur E-Mobilität leisten kann, der Fronius selbst, aber auch dem Standort Vorteile bringt. „Deshalb haben wir ein Prototypenzentrum zur Fertigung von Batteriewannen für die Automobilindustrie aufgebaut“, sagt Jürgen Bruckner, Leiter des globalen Key-Account-Managements Automotive in der Business Unit Perfect Welding. „Auf 930 m² können wir mit verschiedenen Fügetechniken und unter Berücksichtigung der Anforderungen der Automobilindustrie komplette Batteriewannen herstellen. Dabei achten wir auf nachhaltige Produktion.“
 

Kleiner ökologischer Fußabdruck

Genau diese nachhaltige Produktion bzw. der ökologische Fußabdruck wird bei den Herstellern zunehmend zum Vergabekriterium. Ökologisch und sozial nachhaltige Lieferketten für neue Fahrzeugkonzepte, Leichtbaulösungen und Anlagenbau als Hebel für nachhaltige Lösungen – etwa durch Materialeffizienz oder Energieeinsparung – sind die Handlungsfelder. Fronius war schon sehr früh darauf bedacht, den ökologischen Fußabdruck in der Produktion so gering wie möglich zu gestalten. „Die Kernkompetenz von Fronius liegt in allen drei Business Units in der Umwandlung und Kontrolle von elektrischer Energie. Dabei ist ein Schwerpunkt, diese möglichst effizient einzusetzen“, erklärt Bruckner.
 

Energieeffiziente Produktion

Großes Augenmerk legt der Familienbetrieb auch auf die nachhaltige Standortentwicklung. „Unsere Standorte werden alle unter dem Einsatz von alternativen Energie-, Heiz- und Kühlsystemen gebaut. So haben wir z. B. in Sattledt am Dach eine Photovoltaikanlage mit mehr als 1.000 kWp installiert. Der dort produzierte Strom wird für unsere Produktion genutzt. Unser Standort in Thalheim gewinnt die gesamte Energie aus erneuerbaren Quellen. Fronius ist sicherlich einer der Frontrunner, was Nachhaltigkeit betrifft“, ist Jürgen Bruckner überzeugt.
 

Neue Werkstoffe

Auch Voltlabor hat für sein Produktportfolio ein nachhaltiges, gesamtheitliches Ökosystem aufgestellt. „Dafür setzen wir stark auf die Kompetenzen unserer Gesellschafter und Partner: So liefert zum Beispiel die Miba einen Leichtbau-Batteriekühlkörper aus dem Standort Vorchdorf und Widerstände von der Miba Power Electronics Group“, erläutert Geschäftsführer Stefan Gaigg. Die Produktionsanlagen kommen von Nordfels aus Bad Leonfelden. Wollen wir die Klimaziele erreichen und den Verkehr umweltfreundlicher gestalten, sind auch neue Werkstoffe gefragt. Einerseits geht es um leichte Komponenten für den Fahrzeugbau. Denn weniger Gewicht senkt den Treibstoff- bzw. Stromverbrauch und steigert die Reichweiten. Andererseits ist auch das Thema Recycling relevant.
 

Globaler Technologieführer

Hier hat sich die voestalpine zum Experten für automobilen Leichtbau entwickelt. Bei der Produktion von höchstfesten, korrosionsbeständigen und immer leichteren Karosserieteilen mithilfe der Zukunftstechnologie „phs“ zählt die voestalpine zu den globalen Technologieführern. Mit phs-Anlagen in China, den USA und in Deutschland ist der Konzern in wichtigen Märkten bestens aufgestellt. voestalpine Automotive Components in Linz ist darüber hinaus der weltweit größte Produktionsstandort bei der Herstellung von lasergeschweißten High-Tech-Platinen für die Automobilindustrie. Die Platinen werden mehrheitlich zu gewichtssparenden Gesamtkomponenten wie Längs- und Querträgern, A-, B-, C-Säulen oder Türinnen- und Bodenkomponenten weiterverarbeitet.
 

Weltweite Forschung

Ein Zukunftsbereich für die Herstellung komplexer und leichter Bauteile für die Automobilindustrie in Kleinserienfertigung ist die Additive Fertigung (3D-Druck) mit Metallpulver. Die konzernweiten Aktivitäten dazu sind in den derzeit fünf Forschungszentren in Deutschland, Kanada, Taiwan, Singapur und den USA gebündelt. So wurde beispielsweise ein additiv hergestelltes Motorhauben-Scharnier entwickelt, das Leichtbau und erhöhte Sicherheit in einer Konstruktion vereint.
 

Faktor Langlebigkeit

Einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit leistet Fronius nach eigener Überzeugung dadurch, dass die Produkte durch den hohen Qualitätslevel besonders langlebig sind. Von der Beschaffung der Rohstoffe bis zur Verarbeitung wird auf Nachhaltigkeit geachtet. „Wenn überhaupt notwendig, können unsere Produkte immer wieder repariert werden. Das ist für uns ein zentraler Ansatzpunkt“, betont Bruckner. Ähnlich sieht es auch Stefan Gaigg bei Voltlabor: „Unser Fokus liegt auf Batteriesystemen für den elektrischen Antrieb. Automatisiertes Fahren zeichnet sich oft durch eine erhöhte Nutzungsdauer aus, wodurch eine besonders sichere und verlässliche Batterietechnologie notwendig wird. Daher haben wir all unsere Aktivitäten auf ‚safe.reliable.clean‘ ausgerichtet und können ein besonders robustes Batteriesystem anbieten.“
 

Global gut aufgestellt

Auch Diversifizierung und Internationalisierung werden für die heimischen Zulieferer immer wichtiger. Fronius hat schon sehr früh mit der Internationalisierung begonnen und ist mit 36 Tochtergesellschaften weltweit sehr gut aufgestellt. „In den Märkten, wo wir nicht mit einem eigenen Tochterunternehmen vertreten sind, haben wir zertifizierte Partner, damit wir auch dort einen qualitativ hochwertigen Support leisten können“, sagt Vertriebsleiter Bruckner. Durch die Beteiligung der Miba kann Voltlabor die Vorteile einer weltweit mit Produktionsstandorten vertretenen Unternehmensgruppe nutzen. „Somit können wir schon heute aktiv in Märkten wie den USA, Indien oder China auftreten und unsere Kunden vor Ort unterstützen“, erklärt der Geschäftsführer.
 

Kein Premium-Auto ohne voestalpine

Noch deutlicher sind Diversifizierung und Internationalisierung natürlich bei der voestalpine. Weltweit verfügt der Stahl- und Technologiekonzern über rund 30 Automotive-Standorte. Von der kleinsten Feder bis zur kompletten Baugruppe – im Reifen, im Antrieb, bei Struktur- und Sicherheitsteilen, beim Formen und Fügen – voestalpine-Produkte sind in fast allen Premium-Automobilen eingebaut. Wo die Reise hingeht, ob und unter welchen Bedingungen wir künftig alle elektrisch fahren und was eigentlich unter „Green Mobility“ zu verstehen ist, können auch die hier von uns befragten Unternehmen (noch) nicht genau sagen.
 

Bunte Mobilitätswelt

Für Stefan Gaigg steht allerdings fest: Die Entscheidung in Richtung Elektromobilität ist getroffen und nicht mehr umkehrbar. „Abhängig von der Anwendung wird es aber unterschiedliche Ausprägungen geben. Das batterieelektrische Fahrzeug in der Stadt, der wasserstoffbetriebene Lkw auf der Langstrecke, das Schiff oder Flugzeug mit E-Fuels,… Die Welt wird sehr bunt sein.“ Sein Unternehmen hat sich einer Mission verschrieben: „Technologies for a Cleaner Planet“. „Wir verstehen darunter, einen Beitrag für eine saubere Mobilität zu leisten zum Wohl unseres Planeten.“
 

Appell an Eigenverantwortung

Jürgen Bruckner ist fest davon überzeugt, dass es für eine nachhaltige Mobilität viele interessante Ansätze und Ideen gibt. Die Frage sei, welche sich durchsetzen werden. Und er appelliert an die Verantwortung jedes Einzelnen: „Ich sehe Green Mobility als sehr übergeordneten Begriff, der viele Punkte beinhaltet. Leider wird er sehr stark auf gewisse Technologien wie E-Mobilität reduziert. Das kann aber nicht die alleinige Lösung sein. Wohin die Reise geht, traue ich mir nicht zu sagen, ich bin aber davon überzeugt, dass Green Mobility bei jedem selber anfangen muss.“
 

Vorzeigestandort OÖ

Dass Oberösterreich absolut das Zeug dazu hat, zu einem Green Mobility-Vorzeigestandort zu werden, darin sind sich alle einig. „Oberösterreich war immer ein Standort, der mit allen Herausforderungen sehr gut zurechtgekommen ist und gerade in der Automobilzulieferindustrie viele hervorragende Unternehmen hervorgebracht hat. Ein wesentlicher Punkt dabei sind die Menschen, die diese Unternehmen führen und dort arbeiten. Ihre Ideen und Motivation bilden den Background, dass Oberösterreich ein Green Mobility-Vorzeigestandort sein wird bzw. schon ist“, sagt Bruckner.
 

Fit für die Zukunft

Stefan Gaigg ergänzt: „Oberösterreich ist ein guter Standort mit allen Kompetenzen und viel Know-how. Speziell im Mobilitätsbereich kann Oberösterreich von der Ladeinfrastruktur über die Batterie und den Elektromotor bis hin zu (Nischen-)Gesamtfahrzeugen alles bieten.“ Und die drei Schlagworte aus der Headline kennzeichnen seiner Meinung nach Oberösterreichs Automobilbranche sehr treffend: „Damit kann ich mich sehr gut identifizieren.“ Diese Werte sieht Bruckner auch stellvertretend für Fronius: „Lokal – in Oberösterreich sind wir zuhause. Global – wir sind weltweit vernetzt und persönlich verfügbar. Nachhaltig – für Fronius ist das gelebte, alltägliche Philosophie.“
 

voestalpine AG

Die voestalpine ist ein weltweit führender Stahl- und Technologiekonzern mit kombinierter Werkstoff- und Verarbeitungskompetenz. Die Unternehmensgruppe verfügt über rund 500 Konzerngesellschaften und -standorte in mehr als 50 Ländern auf allen Kontinenten. Sie notiert seit 1995 an der Wiener Börse. Im Geschäftsjahr 2019/20 beschäftigte sie weltweit 49.000 Mitarbeiter.

Die voestalpine bekennt sich zu den globalen Klimazielen und arbeitet an Technologien zur Dekarbonisierung und Reduktion ihrer CO2-Emissionen. Der Konzern erzielt rund 50 Prozent seines Konzernumsatzes von 12,7 Mrd. Euro im Mobilitätsbereich (Automotive, Bahnsysteme, Luftfahrt).
 

Fronius International

Das Unternehmen wurde 1945 in Pettenbach gegründet. Es befindet sich in der 3. Generation in Familienbesitz. Fronius gliedert sich in die drei Business Units Solar Energy, Perfect Charging und Perfect Welding beschäftigen 6.000 Mitarbeiter weltweit in 36 Tochterunternehmen. Jürgen Bruckner startete 2001 bei Fronius als Projektleiter in der Business Unit Perfect Welding. 2007 wechselte er in die Großkundenbetreuung für die Automobilindustrie. Dort leitet er seit 2017 als Head of Global Key Account Management Automotive ein weltweites neunköpfiges Team. Mit der Schweißprozessvariante CMT hat Fronius den weltweiten Schweißmarkt revolutioniert – speziell im Segment Automotive. Zudem gilt das weltweit erste voll-digitale Schweißgerät TPS/i von Fronius als Hightech-Schweißcomputer für mechanisiertes Schweißen.
 

VOLTLABOR GmbH

VOLTLABOR ist der Pionier der Lithium-Ionen-Batterietechnologie in Österreich, basierend auf der Rundzelle und der Lasertechnologie mit Fokus auf Serienproduktion. Das Unternehmen wurde 2019 in Bad Leonfelden als Spinoff der Nordfels GmbH gegründet und beschäftigt 40 Mitarbeiter. Seit 2019 ist Miba zu 25,1 Prozent beteiligt. In den USA, in Indien und China bestehen Vertriebsbüros.

Stefan Gaigg arbeitete von 1999 bis 2016 beim Automatisierungsspezialisten STIWA. Er baute das Automotive-Produktionswerk in Gampern auf. Seit 2016 leitet er die Business Unit Battery Components bei der Miba eMobility GmbH und ist seit 2019 Geschäftsführer bei Voltlabor.

Die voestalpine erzeugt Komponenten für die Fahrzeugindustrie, u.a. Leichtbau-Karosserieteile. © voestalpine
Die voestalpine erzeugt Komponenten für die Fahrzeugindustrie, u.a. Leichtbau-Karosserieteile. © voestalpine
Dieser Achsschenkel für ein Gokart wurde im 3DDruckverfahren von der voestalpine hergestellt. © voestalpine
Dieser Achsschenkel für ein Gokart wurde im 3DDruckverfahren von der voestalpine hergestellt. © voestalpine
Hier die PV-Anlage auf dem Dach des Standortes Wels. © Fronius
Fronius versorgt seine Produktionsstätten mit erneuerbaren Energien. Hier die PV-Anlage auf dem Dach des Standortes Wels. © Fronius
Batteriesystemfertigung bei Voltlabor in Bad Leonfelden. © VOLTLABOR
Batteriesystemfertigung bei Voltlabor in Bad Leonfelden. © VOLTLABOR
Die Business Unit Perfect Welding entwickelt effiziente Geräte für metallurgisches Schweißen in der Automobilindustrie. © Fronius
Die Business Unit Perfect Welding entwickelt effiziente Geräte für metallurgisches Schweißen in der Automobilindustrie. © Fronius

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