22.12.2020
2020 war für die Automobilindustrie ein schwieriges Jahr. Doch Hersteller von Nutz- und Sondernutzfahrzeugen sowie Baumaschinen trotzen der Krise. Sie profitieren vom Trend zu emissionsfreien Produkten mit elektrischem Antrieb.
Es sieht aus wie auf einer normalen Baustelle: Bagger schaufeln Gruben. Radlader verfrachten den Aushub in Muldenkipper. Stampfer verdichten den gelockerten Boden, wieder andere Geräte ebnen die Fläche ein. Was in der Demohalle des Baumaschinenherstellers Wacker Neuson völlig fehlt, sind Lärm und Gestank. Denn das Unternehmen hat bereits früh damit begonnen, seine Geräte zu elektrifizieren und damit einen Wachstumsschub ausgelöst. 2014 kam der erste Minibagger mit elektrischem Antrieb auf den Markt, heute kann Wacker Neuson mit 15 Produkten seiner zero emission-Serie eine ganze Baustelle ausstatten.
„Wir haben heuer durchaus Umsatzrückgänge gehabt, aber bei den Bestellungen für unsere elektrisch angetriebenen Geräte und Maschinen haben wir keinen Rückgang verzeichnet, sondern sind weiter gewachsen“, freut sich CEO Martin Lehner. Er führt das unter anderem darauf zurück, dass die EU die CO2-Einsparungsziele weiter verschärfen wird. Die Diskussion über Dieselfahrverbote und das Verbannen von Verbrennungsmotoren aus den Innenstädten wird vermutlich auch vor Baumaschinen nicht Halt machen. „Darauf wollen sich unsere Kunden vorbereiten und Erfahrungen mit elektrisch betriebenen Baumaschinen sammeln.“
Ganz unbegründet sind die Befürchtungen hinsichtlich strengerer Vorschriften der EU nicht. Sie plant, die CO2-Reduktionsziele zumindest für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge weiter zu verschärfen. Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen definiert 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. Diese betreffen auch die Infrastruktur, Industrie, Verkehr und Gütertransport sowie nachhaltige Städte und Gemeinden. Ein Positionspapier der Testregion Digitrans behandelt ebenfalls Konzepte für den Güterverkehr der Zukunft. „Automatisierte Gütermobilität und automatisierte Arbeitsmaschinen bieten uns Chancen zur ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Entwicklung“, heißt es unter anderem darin.
Die Nachfrage nach Produkten mit geringerer Lärm- und Abgasbelastung steigt daher auch in der Schwerindustrie. BULMOR, Hersteller von Seitenstaplern aus Perg, hat sich beim Elektroantrieb zum Technologieführer entwickelt. „Der geräuscharme Elektroantrieb schont nicht nur Anrainer und Mitarbeiter, sondern auch das Transportgut. Dieses kann ohne Risiko der Verschmutzung durch Dieselruß bewegt werden“, erklärt Unternehmenssprecherin Silvia Rumetshofer. Dies schlägt sich auch in den Verkaufsbüchern von BULMOR nieder. In der Schweiz werden mittlerweile 95 % aller Maschinen mit E-Antrieb geordert, in Österreich rund 60 Prozent und in Deutschland 40 Prozent mit klar steigender Tendenz.
Auch die Liebherr Firmengruppe hat die coronabedingte Krise dank seiner Baumaschinen, Kräne und Mining-Produkte bisher ganz gut überstanden. Das weltweit tätige Familienunternehmen hat auf dem steirischen Erzberg mit einer Weltneuheit für eine Revolution gesorgt: dem ersten 100-Tonnen-Muldenkipper mit dieselelektrischem Antrieb. Ein Jahr lang war der Mining-Truck in Eisenerz im Testeinsatz, bevor er 2019 in die Serienfertigung ging. Stärkster Umsatzbringer bei Liebherr ist und bleibt die Sparte Erdbewegung. Joachim Strobel, Geschäftsführer der Liebherr EMtec GmbH, der weltweiten Obergesellschaft der Sparte Erdbewegungsmaschinen, kündigte an, dass Liebherr spätestens 2022 elektrisch angetriebene Kompaktmaschinen wie Radlader und Teleskoplader auf den Markt bringen wird.
Bei anderen Maschinen und Geräten gibt es die elektrisch beladenen Fahrzeuge von Liebherr allerdings bereits. Seit März ist in der Schweiz der erste vollelektrische Beton-Fahrmischer mit 10- und 12 m³-Trommel auf einem 5-Achs-Fahrgestell unterwegs, den Liebherr mit Designwerk entwickelt hat. Auch maritime Kräne von Liebherr sind bereits elektrisch unterwegs. Erst im Dezember präsentierte der Baumaschinenhersteller die weltweit ersten Raupenkrane mit Batterieantrieb. Im Portfolio der Unplugged-Serie finden sich auch Drehbohrgeräte und vieles mehr.
Der Leondinger Feuerwehrausstatter Rosenbauer hat im September die ersten Vorserienfahrzeuge der RT-Modellreihe mit hybridem Antrieb an Kunden in Amsterdam, Berlin und Dubai ausgeliefert. „Der RT ist nicht nur ein Fahrzeug, sondern ein Gesamtkonzept, das den Feuerwehralltag der Zukunft revolutionieren wird. Mit dem RT bieten wir die komplette Digitalisierung des Feuerwehreinsatzes an, von der Ressourcenplanung über die Einsatzführung bis hin zur Dokumentation und Evaluierung“, sagt Dieter Siegel, CEO von Rosenbauer International.
Fast alle Innovationspartner und die meisten Interessenten am RT kommen aus C40-Städten. Diese haben sich in der „C40 Cities Climate Leadership Group“ für den gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel zusammengeschlossen und sich die Reduktion des CO2-Ausstoßes durch den innerstädtischen Verkehr zum Ziel gesetzt. Kommunale Fuhrparks haben dabei eine Vorbildfunktion. Deshalb wollen auch Einsatzorganisationen einen Beitrag zum Erreichen der Ziele leisten. Im Oktober feierte Rosenbauer mit dem ersten vollelektrisch angetriebenen Feuerwehrfahrzeug auf einem Serienchassis eine Weltpremiere. Derzeit arbeitet Rosenbauer an einem Löschsystem für Akkubrände bei E-Fahrzeugen.
Beim Thema nachhaltige Städte und Gemeinden spielen Zustelldienste auf der letzten Meile eine Rolle. Das Start-up New Mobility Enterprise (NME) aus Gallneukirchen importiert dafür einen batterieelektrischen Kleintransporter aus China für den europäischen Markt und arbeitet mit Partnern an einem Community Vehicle mit Pritsche und untersucht die Umsetzung eines Cooling Vans (Kühlfahrzeug). „Die Nachfrage nach dem NME CARGO VAN ist enorm. Aus ganz Europa erreichen uns beinahe täglich neue Anfragen von Endkunden und Händlern. NME hat mit GREEN TO HOME auch eine kostenlose, emissionsfreie Paketzustellung für Privatkunden entwickelt. Die erste Kampagne in den sozialen Medien ist mit großem Echo gestartet“, sagt NME-Gründer und CEO Maximilian M. Mader. Digitale Dienstleistungen wie jene von NME reduzieren das innerstädtische Verkehrsaufkommen. „So entsteht eine ganzheitliche Lösung für den Betreiber und wir helfen mit, urbane Lebensräume lebenswerter zu machen“, betont NME-Mitgründer Michael Punzelt.
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